Jesus ist tot. Sein Leben wurde auf schändliche Weise am Kreuz beendet. Er wurde vom römischen Staat als Aufrührer und Staatsfeind verurteilt. Die Kreuzigung galt in der Antike als eine gefürchtete Todesstrafe, die für die schlimmsten Verbrechen vorgesehen war. Römische Bürger durften erst gar nicht gekreuzigt werden.

Als Jesus starb, waren seine Jünger nicht mehr bei ihm. Stattdessen waren sie alle davongerannt und hatten ihn allein gelassen. Petrus hatte Jesus während des Prozesses dreimal verleugnet, und die anderen Anhänger waren ebenfalls vor Angst geflohen. Ihre Furcht war keineswegs unbegründet, denn es war durchaus üblich, dass Anhänger aufrührerischer Gruppen zusammen mit ihren Anführern gekreuzigt wurden. Somit bestand eine reale Lebensgefahr für alle, die mit Jesus in Verbindung gebracht wurden.

Im Markus-Evangelium wird berichtet, dass einige Frauen während der Kreuzigung und nach Jesu Tod bei ihm geblieben sind. Wir lesen:

Und es waren die Frauen da, die von ferne zuschauten, unter ihnen Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome, die ihm nachgefolgt waren, als er in Galiäa war, und ihm gedient hatten, und viele andere Frauen, die mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren.

Von Weitem beobachteten die Frauen, wie Jesus starb. Denn auch für sie war es gefährlich, sich offen als Anhängerinnen zu zeigen.

Nach dem Tod eines Gekreuzigten wurde der Körper oft als Abschreckung am Kreuz belassen. Der Leichnam gehörte dem römischen Staat. Es gab für Gekreuzigte keine würdige Bestattung.

In dieser Situation übernimmt Einer die Verantwortung und handelt. Wir lesen weiter im Markus- Evangelium:

Und als es schon Abend wurde und weil Rüsttag war, das ist der Tag vor dem Sabbat kam Josef von Arimathäa, ein angesehener Ratsherr, der auch auf das Reich Gottes wartete; der wagte es und ging hinein zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Pilatus aber wunderte sich, dass er schon tot war und rief den Hauptmann und fragte ihn, ob er schon länger gestorben wäre. Und als er´s erkundet hatte von dem Hauptmann, überließ er Josef den Leichnam. Und der kaufte ein Leinentuch und nahm ihn ab vom Kreuz und wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das war in einen Felsen gehauen, und wälzte einen Stein vor des Grabes Tür.

Josef von Arimathäa geht ein Wagnis ein! Der vornehme Ratsherr Josef, nach dem Lukasevangelium sogar Mitglied des Hohen Rates, der zusammen mit Jesus und allen anderen Jüngern „auf Gottes Reich gewartet hatte“, handelt. Mag ja sein, dass er einfach deshalb nicht, wie die meisten anderen männlichen Jünger, abgehauen ist, weil er darauf vertraute, dass ein Mann in seiner gesellschaftlichen Stellung keiner direkten Gefahr ausgesetzt war. Das tut aber seiner Initiative keinen Abbruch.

Josef tut etwas Ungewöhnliches, ja sogar Unerhörtes. Er bittet um den Leichnam Jesu und Pilatus gewährt ihm diese Bitte, erstaunlich! Und auch das ist ein Hinweis darauf, dass wir es offensichtlich mit einem Mann zu tun haben, der damals nicht ohne Einfluss gewesen sein konnte, und es ist vielleicht sogar ein Hinweis darauf, dass Pilatus sehr wohl wusste: Mit seinem Todesurteil hatte er auch beim Tempelrat Anstoß erregt, nun ist es besser, wenn er dem Wunsch des Ratsherrn Josef nachkommt.

Ein Repräsentant der Oberschicht setzt sich also für einen Exekutierten ein. Mit einem Ausgestoßenen wollte man nichts zu tun haben und nach dessen Tod erst recht nicht. Wer überhaupt Tote berührt oder mit Bestattung zu tun hatte, der hat sich unrein gemacht. Aber Josef von Arimathäa durchbricht die Konventionen der Gesellschaft. Er löst den Leichnam Jesu aus – d.h. ein „Deponens“, ein Geldbetrag wurde hinterlegt und damit der Leichnam Jesu freigekauft.

Aufgrund der Bitte dieses Ratsherrn nimmt man Jesus vom Kreuz und legt ihn in ein Felsengrab. Im Matthäus- Evangelium wird erzählt, dass es sich bei diesem Grab sogar um sein eigenes neues Grab handelte, dass er in einen Felsen hatte hauen lassen. Ein „Ehrloser“ erhält das Grab eines Ratsherrn!

Wie viel Mut, wie viel Überwindung wird das diesen Menschen gekostet haben? Sollte sich sein Einsatz herumsprechen, dann ist er selbst zum Außenseiter geworden, denn für einen frommen Juden gehörte sich das gar nicht. Warum hat er das getan und was bedeutet das für uns heute?

Josef von Arimathäa lehrt uns zweierlei.

Erstens: Josef bleibt Jesus auch nach dessen Tod treu, will ihm eine würdige Beerdigung bereiten, kümmert sich vor allem um jene Menschen, die im Moment am meisten unter dem Tod des Meisters leiden, die es haben miterleben müssen, wohl völlig traumatisiert sind: Die Frauen aus seiner Gefolgschaft. Frauen, die nun völlig verzweifelt sind und denen ja auch keinerlei Einfluss gegeben wäre, um selbst irgendetwas unternehmen zu können – ihnen greift Josef aus Arimathäa in aller Selbstverständlichkeit unter die Arme, lässt sie nicht allein, erlaubt ihnen so, sich wieder zu fangen, den Weg zurück ins Leben zumindest einmal angehen zu können. Dass dieser Weg dann auf ganz überraschende Weise ein Weg der Freude und nicht des Leides werden durfte, ist da noch nicht klar.

Zweitens: Heute soll Josef von Arimathäa einmal für alle Menschen stehen, die ohne große Ambitionen, ohne sich selber in den Vordergrund zu schieben, dort helfen, wo sie können, im Hintergrund Hand anlegen, wo es sie braucht – ohne gleich zu meinen, sie müssten deshalb ein Selfie posten -, Leid zu mindern suchen, wo sie es sehen. Menschen eben, die hinsehen und nicht wegsehen. Die das Richtige tun, auch wenn andere den Kopf schütteln. Josef von Arimathäa lehrt uns, dass es Werte und Überzeugungen gibt, die niemals aufgegeben werden dürfen: Respekt, Mitgefühl, Vertrauen und Barmherzigkeit – das sind Werte, die nicht verhandelbar sind, die in jeder Situation hochgehalten werden müssen.

Stefan Rottmann

Gebet
Gott, himmlischer Vater, im Alltag kommt unser Glaube oft zu kurz, wir vergessen dich und denken daran, wie wir unseren Tag geregelt bekommen. Und oft fällt es uns schwer, uns im täglichen Miteinander als gläubige Christen zu outen.
Gib Du uns den Mut, jederzeit zu Jesus zu stehen und uns zu ihm zu bekennen.

Barmherziger Gott, wir beten für Menschen, die ihre Angehörigen durch schwierige Zeiten begleiten, die ihnen in Krankheit und Krise beistehen. Lass sie ihnen nahe sein und tröstende Worte finden. Schenke ihnen Kraft, ihren Nächsten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Gerechter Gott, wir beten für die Menschen, die im Krieg leben müssen, die täglicher Angst ausgesetzt sind, für die Unterdrückten und Armen, für die Menschen, die keine Fürsprecher haben. Gib ihnen Hoffnung und lass sie spüren, dass Du da bist und sie hältst.

Allmächtiger Gott, sei du mit den Großen dieser Welt, die glauben, sie könnten die Welt nach ihrer Phantasie gestalten und die damit oft großes Leid anrichten. Lass sie ihre Grenzen sehen und spüren, dass Du der Allmächtige Gott bist.

Liebender Gott, du hast uns alle geschaffen und hältst uns in deiner Hand. Wir danken dir, dass du uns liebst. Lass uns deine Liebe annehmen und untereinander weitergeben, dass das Licht in der Welt heller wird.

Ewiger Gott, wir danken dir, dass du uns durch deinen Sohn Jesus Christus gezeigt hast, dass die Liebe stärker ist als der Tod und stärker als das Böse in der Welt. Du hast uns eine Perspektive über den Tod hinaus eröffnet. Lass uns diese Zuversicht spüren und Kraft daraus schöpfen, heute, morgen und allezeit.
Amen.

Dorothea Lindenberg