Das Adventslied »Die Nacht ist vorgedrungen« (Nr. 16 im Gesangbuch) berührt mich in ganz besonderer Weise. Seine Melodie ist verhalten, ja traurig und doch gleichzeitig hoffnungsvoll. Das Lied steht in einem wohltuenden Kontrast zu allem Jingle-Bell- und Oh-Tannenbaum-Gedudel. Wenn ich es höre, werde ich sofort ganz andächtig und alles in mir kommt zur Ruhe. Vielleicht geht es Ihnen auch so?
Der Text:
1) Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.
2) Dem alle Engel dienen, wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden, verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden, wenn er dem Kinde glaubt.
3) Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah.
4) Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.
5) Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.
Das Lied:
Die Nacht ist vorgedrungen ist ein von Jochen Klepper (1903–1942) geschaffenes Gedicht, das von Johannes Petzold vertont als Adventslied Eingang in zahlreiche Gesangbücher gefunden hat.
Klepper schickte ihm programmatisch den Bibelvers voraus:
11 Und das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. 12 Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.
Der Text ist reich an biblischen Anspielungen, den „Morgenstern“ (Offb 22,16 LUT), „zur Nacht geweinet“ (Ps 30,6 LUT), „alle Engel dienen“ (Hebr 1,6 LUT), „von Gottes Angesicht kommende Rettung“ (Apg 3,20 LUT), „Gott will im Dunkel wohnen“ (1 Kön 8,12 LUT), „wer dem Sohn vertraut, kommt aus dem Gericht“ (Joh 5,24 LUT), wie auch an zahlreichen Zitaten aus der Gesangbuchtradition, „Angst und Pein“ (Herr Jesu deine Angst und Pein), „dem alle Engel dienen“ (Dies ist die Nacht, da mir erschienen), „lässt den Sünder nicht“ (Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich).
Das Lied charakterisiert seine Zeit als eine in nächtlichem Dunkel befindliche, der wohl der anbrechende Tag folgt, welcher auch durch den dreifach erwähnten Morgenstern gekennzeichnet wird und zu dessen Lobgesang Strophe 1 aufruft. Gleichwohl bleibt der Ton gemessen. „Angst und Pein“ werden „beschienen“, nicht beseitigt, und von einer Sonne oder gar „Freudensonn“[3] ist nicht die Rede.
Die Strophen 2 und 3 kündigen das Weihnachtsgeschehen an, das Erscheinen des menschgewordenen Gottes als „Kind und Knecht“ und verweisen auf den „Stall“ der weihnachtlichen Tradition.
Strophe 4 greift das Motiv des wandernden Sterns von Betlehem auf, der den Weg heraus aus dem Dunkel weist (Mt 2,9 LUT). Gleichwohl beschreibt die abschließende Strophe 5 dieses Dunkel als Wohnort, den Gott erwählt hat, um denen im Dunkel nahe zu sein und dort hinein „Licht und Heil“ zu bringen.
Klepper notierte kurz vor der Entstehung seines Gedichts hinsichtlich diskriminierender Behinderungen seiner Publikationen seitens der Reichsschrifttumskammer wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau:
„Es geschieht Hannis wegen. Ich glaube nicht an Aktionen. Gott will im Dunkel wohnen, und das Dunkel kann nur durchstoßen werden durchs Gebet.[4]“
Quelle: Wikipedia
Jochen Klepper
Joachim Georg Wilhelm Klepper (* 22. März 1903 in Beuthen an der Oder, Landkreis Freystadt, Provinz Schlesien; † 11. Dezember 1942 in Berlin) war ein deutscher Theologe, der als Journalist und Schriftsteller arbeitete. Er ist einer der bedeutendsten Dichter geistlicher Lieder des 20. Jahrhunderts. Klepper wurde während der Zeit des Nationalsozialismus wegen seiner „nichtarischen“ Ehefrau ausgegrenzt sowie drangsaliert und nahm sich in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 1942 mit seiner Familie das Leben.
Quelle: Wikipedia
Dorothea Lindenberg