Gottesdienst am Ostermorgen
Text: Ps 118
Thema: Aber der Herr hilft mir
Ev. Gemeindezentrum Emmaus
Pfarrer Moritz Mittafg
Psalm 118,10-18
10 Alle Völker umgeben mich; aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren. 11 Sie umgeben, ja umringen mich; aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren. 12 Sie umgeben mich wie Bienen, / sie entbrennen wie ein Feuer in Dornen; aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren.13 Man stößt mich, dass ich fallen soll; aber der Herr hilft mir.14 Der Herr ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil. 15 Man singt mit Freuden vom Sieg / in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des Herrn behält den Sieg! 16 Die Rechte des Herrn ist erhöht; die Rechte des Herrn behält den Sieg! 17 Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen. 18 Der Herr züchtigt mich schwer; aber er gibt mich dem Tode nicht preis. Amen.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Zehn Jahre waren wir unterwegs. Ganz da unten, am tiefsten Punkt des heutigen Dietrich-Bonhoeffer-Weges, hatten wir angefangen, und sind losgelaufen, bis wir endlich hier ganz angekommen waren. Was sind schon zehn Jahre? Das Volk Israel wandert 40 Jahre durch die Wüste. 44 Jahre war unser Land geteilt. 50 Jahre dauerte das Babylonische Exil. Manche Durststrecke musste in diesen Jahren überwunden werden. Aber nicht nur da. Solange wir unterwegs sein werden, solange wir das Ziel vor Augen haben, das Gott uns gesteckt hat, sie es unser eigenes Leben, sei es das Leben unserer Gemeinde, wird das so sein.
Im Psalm 118 reflektiert der Beter solche Erfahrungen. Aus der Geschichte seines Volkes fallen ihm fiele Beispiele ein, ähnlich uns, die wir zurücksehen.
Es galt Gegner abzuwehren, die nicht gönnen konnten oder wollten, nicht abgeben oder teilen. Manche Schlacht musste geschlagen werden, man denke nur an Mose und die Amalekiter. Als die Israeliten vorankamen, wenn Mose die Arme zum Gebet gen Himmel gereckt hatte. Und wie sie Boden verloren, sobald er die Arme sinken ließ. Bis seine Gefährten ihn stützten und damit ihrer Sache zum Sieg verhalfen. Das treue Vertrauen auf Gott gab damals den Ausschlag. Mächtige Verbündete konnten sich – damals und heute – als Pappkameraden erweisen – „Es ist gut auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Fürsten.“ [Ps 118,9] Der Wind dreht sich. Lange kam er von hinten, jetzt bläst er uns ins Gesicht. Was führt er mit sich? Er trägt die Zweifel der anderen an uns heran: „Seid ihr auf dem richtigen Weg?“ „Solltet ihr nicht lieber kleinbeigeben?“ Damals, als wir noch ganz unten auf der Wiese, wo heute der Bonhoeffer Weg endet, standen, meinten nicht wenige: „Das wird doch sowieso nichts mit eurem Gemeindezentrum.“ „Sie umgeben, ja umringen mich; aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren.“ [Ps 118,11] Auch Feindschaft ist darunter: „Braucht man euch überhaupt noch?“ „Ihr seid doch von gestern!“ „Man sollte euch abschaffen, am besten mit eurem Sonn- und Feiertagsgesetz!“ Und natürlich machen uns die vielen Kirchenaustritte zu schaffen. Jeder einzelne tut weh. „Sie umgeben mich wie Bienen, sie entbrennen wie ein Feuer in den Dornen.“ [Ps 118,12] Nun drängen weitergehende Konsequenzen an uns heran. Von „Nachbarschaftsräumen“ ist die Rede. Die sich dort abzeichnenden Kooperationen eröffnen gute neue Möglichkeiten. Sie wollen gestaltet sein. Nicht anders als der Mangel an theologischem Nachwuchs. In gewisser Weise wandern wir in eine Art urchristliche Situation hinein. Wer sich dazu zählt, wer sich als Christin oder Christ versteht, ist gehalten, die Botschaft Christi zu verkündigen, seine Liebe in die Welt zu tragen, sei es im Dienst an dem oder den anderen – von der Gartenpflege bis zum Besuchsdienst, sei es im Zeugnis vor der Welt. Im Auftreten gegen Hass und Menschenverachtung, für die Würde des Menschen und das demokratische Gemeinwesen.
Es werden die Erfahrungen nicht ausbleiben, die schmerzen, verunsichern oder ängstigen – „Man stößt mich, dass ich fallen soll.“ [Ps 118,13] Dann sehen wir auf das Kreuz, sehen eine äußerste Anfechtung und hören Jesus rufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ [Mt 27,46, zit. Ps 22,2] Aber selbst jetzt hält Jesus fest an seinem Vertrauen. Wir nehmen uns ihn zum Vorbild. Mit dem Beter des 118. Psalms teilen wir die Erfahrung: „aber der Herr hilft mir.“ [Ps 118,13] Wo sie dem einen fehlt, mag der andere einspringen. Wo eine zweifelt, mag ein anderer seinen Glauben in die Waagschale werfen. „Der Herr ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil.“ [Ps 118,14]
Luft und Stimme, Haltung und Überzeugung stützt die Erfahrung von Ostern. Christus ist auferstanden! [vgl. Mk 16,6] Dem Tod und seinen Gesellen sind die Grenzen aufgezeigt worden. „Man singt mit Freuden vom Sieg / in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des Herrn behält den Sieg!“ [Ps 118,15]
Ja, zwischenzeitlich hatte es anders ausgesehen. So schlecht, dass die zwei Jünger in ihrer Furcht Jerusalem verlassen hatten und nach Emmaus gegangen waren. Unterwegs treffen sie einen, der nun mit ihnen geht. Nicht nur, dass sie ihm all ihren Kummer, ihre Hilflosigkeit und ihre Not in der Trauer anvertrauen können, in ihm erkennen sie ihren Meister. Sie sehen die Worte des Psalms bestätigt: „Die Rechte des Herrn ist erhöht; die Rechte des Herrn behält den Sieg!“ [Ps 118,16]
Statt davonzulaufen und in die Zerstreuung zu gehen, wandern sie zurück nach Jerusalem, als hätten sie alle Furcht, die vorher mit ihnen war, verloren. Zurück in der Gemeinschaft der Jünger, verkündigen sie: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“ [Lk 24,34] Andere machen ihre Erfahrungen und bestätigen das. Das gibt der kleinen Gemeinschaft Halt und die nötige Festigkeit. Sie trotzt den Widrigkeiten, ja, sie entfaltet nach und nach eine Ausstrahlung, die andere hinzustoßen lässt. Es dauert nur wenige Jahre, da bricht Paulus zu immer neuen Reisen auf, um das Evangelium zu verkündigen. Er schämt sich dessen nicht, auch wenn die Mode gerade eine andere ist oder ihm der Wind der Feindschaft ins Gesicht bläst. Er und die anderen werden gehalten und getragen von einer tiefen, im Ostergeschehen gründenden Hoffnung: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.“ [Ps 118,17]
So haben sie es gehalten, und wir werden es so gut, es uns möglich ist, auch so halten. Denn: „Der Herr ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil.“ [Ps 118,14]
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.