Jubilate
Text: Joh 16,16–23a
Thema: Verwandlung
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Eine große Schüssel steht auf dem Tisch. Mehl ist da, Butter, Milch – Hefe sehe ich, auch Zucker, eine Zitrone und ein Ei. Habe ich etwas übersehen? Die Vanilleschote! Und das Salz! Was bedeutet das? frage ich mich und schließe die Tür hinter mir.

Ich lese aus dem Johannesevangelium im 16. Kapitel die Verse 16-23. Sie sind dem heutigen Sonntag in der V. Perikopenreihe zugeordnet:

Joh 16,16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? 18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. 21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben.

„Eine kleine Weile“ – das ist ein dehnbarer Begriff. Das kann ein Trost sein oder eine Vertröstung, so lässt Johannes, der Evangelist, die Passage beginnen: „Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.“ [Joh 16,16] Sehen, nicht mehr sehen, wieder sehen. Fast könnte es einem schwindelig werden angesichts derartigen Wechsels und Wandels. Genau dahinein stellt Johannes die ahnungslosen Jünger und lässt uns an all die bevorstehenden Wendungen denken. Und doch hinterlassen Jesu Worte die Jünger ratlos. Sie fragen sich: „Was bedeutet das, was er zu uns sagt?“ [Joh 16,17]

Die Frage wird dem Evangelisten bekannt sein. Stellt er sie sich manchmal selbst oder hört er andere so fragen? Jetzt, da all das, was er erzählt und überliefert, schon etliche Jahre her ist. „Was bedeutet das?“ So rätseln sie über all die Wendungen des Sehens und Nichtsehens, aber auch über die Dauer der Weile. Und sie haben keine Ahnung. Johannes, der Evangelist, weiß da mehr. Er weiß, dass der Abschied Jesu nicht vorgeblich ist. Er weiß, dass Jesus sterben und begraben werden würde. Und dass sie ihn dann wieder sehen würden. Die einen in Emmaus, die anderen in Galiläa. Aber auch das reine Geschehen birgt Rätsel, ist es doch so jenseits aller Erfahrungswerte der Beteiligten.

Und wir? Wir fragen uns doch, warum wir mitten im Osterfestkreis mit einer Abschiedsrede Jesu zu tun bekommen? War nicht Jubel angesagt? Gleißende Freude, endlich mal ungebrochen, endlich mal frei von Einschränkungen und Vorbehalten? Wann, wenn nicht jetzt? „Was bedeutet das?“, dass wir heute in eine Situation der Passion hineinversetzt werden?

Ist es, weil das Leiden nicht aufgehört hat? Weil der Tod immer noch haust? Weil Gewalt und Gewalttat sich täglich auf’s Neue Respekt verschaffen? Weil uns die Gründe nicht ausgehen zu weinen, zu verzagen und zu trauern? Weil das Leben in dieser Welt so ist und wir so sind, wie wir sind?

Was Jesus im Johannes-Evangelium ankündigt, „Ihr werdet weinen und klagen … und … ihr werdet traurig sein“ [Joh 16,20] – das holen die Jünger ein und wir doch nicht minder. Vollständig lautet der gerade zitierte Vers aber: „Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.“ [Jes 16,20]

Da ist die Traurigkeit der Treuen – „aber die Welt wird sich freuen“. Was bedeutet das? Wird die Welt merken, dass dieses Kreuz des Einen ihr den Weg aus dem Elend weist? Wird sie die hier ausgestreckte Hand Gottes ergreifen und sich versöhnen lassen?

Jedenfalls soll die Traurigkeit der Treuen zur Freude werden. So wie die Nacht zum Tag am Ostermorgen. So wie die Zutaten, die eben noch beziehungslos auf dem Tisch standen, aus denen unterdessen ein – duftender Osterzopf hervorgegangen ist.

Nur bleibt uns nicht erspart, durch den Schmerz hindurchzumüssen. Möglicherweise nicht nur einmal. In der Trennung. Im Scheitern. Im Verlust. Im Bangen um den anderen. Im Abschied am Sterbebett. Es ist eine Lektion des Lebens. Jesus vergleicht sie mit der Geburt eines Kindes. „Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen.“ [Joh 16,21] Dann ist das Kind da und mit ihm die Freude. „Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.“ [Joh 16,21]

Das verändert alles in diesem Moment. Ihr wisst bestimmt noch, wie das war, als Elina [Täufling] da war. Alles Glück, himmelweite Freude und Leichtigkeit, wo eben noch so vieles schwer war und lastend.

Und so soll es sein, wenn „eine kleine Weile“ vorüber sein wird – nach Kreuz und Grab und Himmelfahrt – und, so glauben und hoffen wir, wenn wir von dieser Welt gegangen sein werden. Denn dann wird sein, was Jesus in unsere Traurigkeit hineinspricht: „Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ [Joh 16,22]

Dann werden die Fragen verstummen. „Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.“ [Joh 16,23] Dann wird offenbar sein, was jetzt noch verborgen ist.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.