2. Christtag – 26.12.2023
Text: 2. Kor 8,7–9
Thema: Ob die Liebe echt sei
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
In der letzten Konfi-Stunde vor den Weihnachtsferien meint einer der Konfis: „Dürfen eigentlich die Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind, auch Weihnachten feiern?“ Ja, das dürfen sie, sage ich. Weihnachten „gehört“ uns nicht. Es ist für alle da. Ich sehe dem Jungen an, dass er mit der Antwort nicht so ganz zufrieden ist. Er findet es, wenn ich ihn recht verstehe, ungerecht, wenn die, die sich entschieden haben, finanziell nichts dazu beizutragen, in die Gottesdienste kommen. Das wird nicht er allein so sehen.
Mit Weihnachten ist der Gedanke der Solidarität verbunden. Wir empfinden sie gegenüber dem jungen Paar, das herumirrt und keine Unterkunft für Nacht und Niederkunft findet. Auch den armen Hirten, die für die Benachteiligten und Verachteten stehen, gilt unser Wohlwollen. Und ganz praktisch ist die Spendenfreudigkeit vieler Menschen vor und während des Festes besonders groß. Gleichwohl: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Die besten Beispiele dafür liefert uns die Politik. Sei es die EU, sei es die NATO oder die langfristige Unterstützung in Not geratener Nachbarn. Neu ist das nicht.
Als Paulus seinen zweiten Brief an die Korinther schreibt, zielt der eben auch auf deren Geldbeutel. Paulus weiß, die Gemeinde in Jerusalem darbt. Das hat Gründe in der Gemeinde selbst, in ihr nimmt die Zahl der Bedürftigen stetig zu, aber auch der Spendenfluss stockt. Neben den ganz handfesten Auswirkungen hat der Apostel noch ganz andere Sorgen. Das Ergebnis des Apostelkonzils könnte in Frage gestellt werden. Damals hatte man beschlossen, dass Paulus auch unter den Heiden das Evangelium verbreiten dürfe und diese vor ihrer Taufe nicht erst noch jüdisch werden müssten. Dafür sollte Paulus in den Gemeinden mit den Heidenchristen Kollekten sammeln, um die Jerusalemer Gemeinde zu unterstützen. Die wiederum bestand überwiegend aus getauften jüdischen Menschen.
Nun ist der Burgfriede in Gefahr. Und dass, wo doch schon jetzt in den Gemeinden immer wieder Konflikte zwischen den beiden Gruppen aufbrechen, wenn es etwa um die Speiseregeln geht. Also schreibt Paulus nach Korinth, wir lesen es im 8. Kapitel in den Versen 7-9:
7 Wie ihr aber in allen Stücken reich seid, im Glauben und im Wort und in der Erkenntnis und in allem Eifer und in der Liebe, die wir in euch erweckt haben, so gebt auch reichlich bei dieser Wohltat. 8 Nicht als Befehl sage ich das; sondern weil andere so eifrig sind, prüfe ich auch eure Liebe, ob sie echt sei. 9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet.
Das macht er geschickt. „Ihr seid reich“, erklärt er den Korinthern. Ja, das sind sie. Das sind wir auch. Das sind alle, die von Gottes Botschaft in Jesus Christus angesprochen werden. Und doch würden wir wohl alle, wenn uns das einer auf den Kopf zusagte: „Du bist reich“, verlegen abwehren. Gleich fielen uns viele ein, die reicher sind als wir selbst. Gemessen daran sind wir arm. Ja, in dieser Ranking-Welt zählt man ja schon mit einer 15 m-Yacht zu den armen Schluckern! Von den Freischwimmern ganz zu schweigen!
Mal im Ernst, was soll unser Reichtum denn sein? In meinem Dienst habe ich schon viele Menschen beerdigt. Alle sind sie gestorben, ganz gleich, ob sie im Geld geschwommen waren oder jeden Cent umdrehen mussten. Nichts konnten sie mitnehmen. Von welchem Reichtum reden wir also? Für Paulus ist das klar. Er erinnert die Leute in der Gemeinde von Korinth daran, dass sie das Evangelium geschenkt bekommen haben. Die frohe Botschaft von Gott, der Mensch geworden ist, um ihretwillen. Der sich nicht zu schade war, in Armut zur Welt zu kommen. Der zu keiner Zeit Besitz angehäuft hat. Der was er hatte mit den anderen geteilt hat. Der am Ende sogar sein Leben gibt, um das der anderen zu retten.
Aber nicht nur das ist euer Reichtum, erklärt er, ihr seid beschenkt mit dem Glauben. Ist das nicht nichts? Eine Vorstellung, für die man sich nichts kaufen kann. Aber kann man sich denn das Vertrauen, in der Liebe des anderen geschützt und geborgen zu sein, kaufen? Kann man sich die Hoffnung kaufen? Oder den Frieden, das vollendete Heil-Sein? Da müsste ich mal Elon Musk fragen – Geld hat er ja genug. Ich fürchte nur, er wird nicht wissen, wo all das käuflich zu erwerben wäre, was uns geschenkt ist. Ich sage das uns, dabei war ich eben noch bei den Korinthern! Aber sieht es denn für uns so anders aus?
Sind wir nicht auch reich beschenkt durch die Gaben, die wir haben und vor allem durch die, die die anderen haben, mit denen wir in einer Gemeinde sind? Eine kann wunderbar klar und sauber singen. Ein anderer versteht sich auf die Technik. Eine andere hat ein Händchen für Gestaltung. Der nächste kann reden oder erklären, eine andere verbreitet gute Laune oder hat einen grünen Daumen, kann backen wie ein Weltmeister oder schwierige Situationen meistern, zuhören oder Lösungen finden… Ja, wir sind wirklich reich!
So sieht das Paulus auch in Korinth. Die können was. Und was machen sie daraus? Nun wirft er einen zweiten Blick auf sie. Und auch wir lassen uns das gefallen. „Ich prüfe auch eure Liebe, ob sie echt sei“ [2. Kor 8,8] Und ist sie es? Na ja, werden sie in Korinth gesagt oder gedacht haben, „irgendwie schon, ein stückweit, so im Allgemeinen…“ Sie kommen ins Schwimmen, und wir etwa nicht?
Ist unsere Liebe echt? Ja, das ist sie immer wieder. Und auch das ist ein Reichtum, ein wirklicher Reichtum. Freilich der Maßstab, den Paulus anlegt, ist hoch. „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“ [2. Kor 8,9] Jetzt dürfte es den Korinthern klar gewesen sein, da ist noch Luft nach oben, was unsere Liebe anlangt. „Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet.“ [2. Kor 8,9]
Das Beispiel Jesu verdeutlicht doch vor allem: Es gebe jeder, was er geben kann. So wie die Welt beschaffen ist, so wie wir sie erleben, wird alles gebraucht, was wir geben können. Unseren Protest gegen Unrecht, Zerstörung und Menschenhass, ganz gleich, aus welcher Quelle er sich speist. Unseren tätigen Einsatz, wo es an Händen, Füßen oder Köpfen mangelt. Unser Zeugnis für die Botschaft Christi, für die Liebe, die er lebt und schenkt, so dass wir reich werden, reich genug, sie weiterzuschenken.
Bloß nicht nachlassen, nicht müde werden oder satt und selbstgerecht. Sie wissen ja, „wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle“ [Mao-ze-dong]
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.