Pfingsten – 24.05.2015
Text: Joh 14,23-27
Thema: Der „Tröster“
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Evangelium Joh 14,23-27

23 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. 24 Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. 25 Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. 26 Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. 27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Gleich nach dem Frühstück haben sie die Zelte abgebaut, die Taschen gepackt und die Boote beladen. Es ist warm an diesem Morgen, fast zu warm und noch dazu feucht. Die Luft drückt. Auf dem Wasser nimmt der Fluss die Schwere und trägt sie, als sei sie nichts. Bald schieben sich Wolken zu einem grauen Gebirge aus dem von Zeit zu Zeit der Donner grollt. Wer wird schneller sein? Das aufziehende Gewitter oder wir auf dem Fluss. Als der Wind zunimmt, und durch die Wolken Blitze zucken, wird uns klar, wir müssen raus. Die Ufer sind steil auf beiden Seiten. Es dauert eine lange Zeit, bis wir endlich eine, wenn auch steile Fuhrt entdecken. Eilig legen wir an und ziehen die Boote, eins nach dem andern den Hang hinauf. Sie sind schwer. Mit Macht setzt der Regen ein. Alle sind klatschnass, als der Gewittersturm einsetzt. Windböen und unvorstellbare Mengen Wassers dringen auf uns ein, dazu das ohrenbetäu-bende Krachen des Donners. „In der Welt habt ihr Angst“ [Joh 16,33].  Wir sind in der Welt. Etwas verloren stehen wir im Inferno. Was wird werden? Auf dem Fluss treiben inzwischen die ersten Äste, ja, ganze Bäume. Alle rücken zusammen. Wir stellen uns im Kreis auf und legen die Arme um die Schultern der Nachbarn. „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!“ [Joh 14,27] Es tut gut, die andern zu spüren. Ich bin nicht allein. Auch die Worte, die die vertraute Stimme spricht, erreichen ihr Ziel. In das Grollen und Krachen des Donners, das Klatschen des Regens und Brausen des Sturms mischt sich eine Stimme der Zuversicht.

Als die Jünger von Jesus erfahren, dass er nicht mehr lange bei ihnen sein wird, bricht über sie ein Seelen-Unwetter herein. Es macht ihnen Angst, was er sagt, und es erschrickt ihr Herz. Wie wird es erst sein, wenn wahr geworden ist, was er ankündigt? Wenn er nicht mehr da ist und sie allein auf sich gestellt, in der Welt sein werden?

In den Abschiedsreden, die wir im Johannesevangelium lesen, kündigt Jesus seinen Jüngern an, was geschehen wird. Nicht nur sein Ende, sondern auch die Hilfe, die sie dann erfahren werden.

„Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“ [Joh 14,23]. Wie stellen wir uns das vor? Wird es an der Haustür klingeln? Wohl kaum. Jesus spricht vom Tröster, der kommen wird, vom Heiligen Geist. In ihm werden Vater und Sohn gegenwärtig sein. Wo er ist, werden auch sie sein.

Aber es wäre doch schön, wenn es ein Zeichen gäbe, das mich spüren ließe, was Jesus angekündigt hat. Selbstverständlich würde das Zeichen nicht die Sache selbst sein. Das Wasser der Taufe ist nicht der Geist des Herrn, die auf-gelegte Hand nicht die Gegenwart des Geistes. Aber ein Zeichen dafür, das mich spüren lässt und mich in die Beziehung zu Gott ruft.

Darum geht es, wenn nun einige andern die Hand auflegen. Sie werden das zu zweit tun und damit andeuten, es ist nichts, was einer aus sich, kraft seiner eigenen Möglichkeiten hervorbrächte. Es ist vielmehr ein Dienst, in den sie sich stellen, damit die Berührung, die jemand erfährt, ihn in die Beziehung zu Gott rufe.

Um die geht es eigentlich. Jesus spricht von Liebe. Das signalisiert Intimität. Die ist bei der Handauflegung spürbar und vielleicht auch nicht jedem geheuer. Wir haben vermutlich alle eine gewisse Scheu vor dem Heiligen, sofern wir uns überhaupt noch ein Gespür dafür bewahrt haben. Und nichts will ich dagegen sagen – im Gegenteil!

Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass Jesus, der einen tiefen Sinn für das Heilige zeigt, doch immer wie-der von dort eine Brücke zum Nächsten schlägt. Dann berührt er den Unberührbaren, den Aussätzigen [Mt 8]. Dann kehrt er ins Haus des verachteten Zöllners ein [Lk 19]. Dann verspricht er dem Übeltäter, der neben ihm am Kreuz hängt, „heute wirst du mit mir im Paradies sein“[Lk 23,43].

Oft berührt er sein Gegenüber. Das bewirkt mitunter mehr als alle Worte. Wenn ich als Kind gerannt bin und irgend-wann hinfiel und heulte, dann suchte ich nicht den, der mir dazu eine tröstende Rede gehalten hätte, sondern eine vertraute Hand.

Was ihn dabei treibt, das ist das, was er seinen Jüngern lässt. Es ist das, was nicht stirbt, sondern bleibt und immer wieder neu wird. Es ist die Liebe.

An kaum einem andern Ort wird das so deutlich, wie dort, wo wir Abschied voneinander nehmen. Denn dort geht es um das, was bleibt, was zählt, und was es um das Leben ist. Es ist die Liebe. Die aber ist nicht zu verwechseln mit dem romantischen Gefühl.

Dreimal erklärt Jesus seinen Jüngern, wie sie ihn lieben sollen. Nämlich indem sie seine Gebote bzw. sein Wort halten [Joh 14,15.21.23]. So bleiben sie mit ihm verbunden und in Gemeinschaft.

Was die Liebe vermag, das haben die, die mit Jesus verbunden waren, in seiner ganzen Größe und Vollkommenheit erlebt. Niemanden gibt er verloren. Jeden lässt er spüren, im Grunde seines Daseins von Gott geliebt zu sein. Ein Späterer wird zusammenfassend sagen: „Gott ist die Liebe“ [1. Joh 4,16b]. Darum ist Gott auch der tiefste Grund dafür, dass Menschen zu sich stehen und füreinander da sein können und sie das Gefühl haben, in die Welt zu passen. Sein heiliger Geist verbindet uns mit IHM und untereinander zu einer Gemeinschaft, die keine Grenzen kennt. Auch nicht die des Todes.

„Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen“, so kündigt Jesus seinen Tod an. „Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ Ostern, die Auferstehung, das soll unsere Zukunft sein. „An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch“ [Joh 14,19f.].

„Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ [Joh 14,26].

Er wird uns, wenn wir in Angst und Not sind, daran erinnern, dass wir nicht in der Welt und dem, was uns Angst macht, aufgehen. Er wird uns einen bunten Regenbogen an den schwarzen Himmel malen. Er wird uns eine Hand spüren lassen, die nichts von uns fordert, die nur da ist, damit wir spüren, wie ER da ist. Er wird uns, auch wenn wir bange sind und zittern, schier überwältigt von dem, was uns auferlegt ist, er wird uns daran erinnern, dass wir gegründet sind in Gottes Liebe. Und er wird uns den Weg weisen, in dieser Liebe zu bleiben.

Im Gewitter an der Dordogne fingen wir an zu singen, als wollten wir sagen: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, / so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen. / Der Fürst dieser Welt, / wie sau’r er sich stellt, / tut er uns doch nicht; / das macht, er ist gericht‘: / ein Wörtlein kann ihn fällen.“ [EG 362,2 Ein feste Burg]

„Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ [Joh 14,1]

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.