3. Advent
Text: Mt 11,2–10
Thema: Bist du es, auf den wir warten?
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Das Warten gehört zum Advent. Es ist ein Warten in Erwartung. Würden wir denn sonst warten, wenn wir nichts erwarteten?
Solches Warten wohnt unserem Menschsein inne. Das begnügt sich nicht mit dem Jetzt. Das denkt weiter. Das richtet sich aus auf Künftiges und erwartet dessen Ankunft.
So sind wir in der Welt. Und wehe, wir erwarten nichts mehr! Nicht von unserem Gegenüber, der Partnerin, dem Freund, der Mutter, dem Opa, aber auch dem Morgen, dem kommenden Jahr, unserem Leben. Es muss nicht unbedingt freudevoll sein, was wir erwarten. Unsere Erwartung kann durchaus eine Befürchtung sein. Aber wenn uns der Sinn für die Erwartung abhandenkommt, ist das wohl eher ein schlechtes Zeichen.
Obwohl, es gibt auch jene kostbaren Momente, in denen sich die Spannung auf angenehme Weise löst. Man mag das im Konzert erleben oder auch beim eigenen Musizieren. Vor allem aber in den Momenten gelingender Beziehung, in denen, so flüchtig sie sein mögen, die Zeit stillzustehen scheint, werden Erwartung und Erfüllung eins.
Bald aber sind wir wieder gespannt auf Kommendes. So auch im Advent. Was erwarten wir da?
Als Gemeinschaft Jesu Christi und als deren Glieder erwarten wir, dass Jesus wiederkommt. Eine letzte Beglaubigung seiner Mission. Was aber wird dann sein, wenn er kommt? Werden wir es denn bemerken? Werden wir vorbereitet sein? Wird er dann unsere Erwartungen erfüllen?
Ich lese aus dem Matthäus-Evangelium im 11. Kapitel, die Verse 2-6:
2 Da aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger 3 und ließ ihn fragen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? 4 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: 5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; 6 und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Werden wir fragen, wie Johannes fragt: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“
Immerhin, wie lange wartet das Volk schon auf das Kommen des Messias? Schon Jesaja kündigt ihn an. Und manch Gestalt mag aufgetreten sein und mehr versprochen haben, als sie zu halten vermochte. Eine gewisse Skepsis scheint angebracht. Auch wenn wir auf unsere Geschichte sehen und darauf, wer uns schon das Heil verheißen und dabei größtes Unheil gebracht hat!
Aber auch das entspricht unseren Erfahrungen: Sich sehen und sich verstehen. Sofort sich gewiss sein, dieser Mensch ist der, auf den ich gewartet habe. Ich bin glücklich, solche Begegnungen im Beruf gehabt zu haben. Andere haben mit einem Blick erkannt, das ist der Mensch, mit dem ich mein Leben verbringen möchte.
Und doch bleibt es ein Wagnis, sich ganz auf diesen anderen zu verlassen. Noch kenne ich ihn nur flüchtig. Noch ist es mein erster Eindruck. Wird der bestätigt werden oder etwa enttäuscht?
Den Liebenden sagt man gelegentlich mit warnendem Unterton, die Liebe mache blind. Gilt das nicht auch für das Vertrauen, das bereit macht, sich hinzugeben, gilt das nicht auch für den Glauben?
Ja. Wie kann es auch anders sein? Liebe und Glaube haben etwas gemeinsam: einen Vertrauensvorschuss.
Johannes richtet seine Frage direkt an Jesus. Direkt auf Umwegen, denn er selbst sitzt im Gefängnis und muss andere beauftragen für ihn zu fragen: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ [Mt 11,3]
Johannes ist den Mächtigen schon so unbequem, wie Jesus es erst noch werden muss. Warum? Er stellt den status quo in Frage. Er sagt den Leuten: Ihr müsst etwas ändern. Ihr müsst euch ändern. So kann es nicht bleiben.
Viele berührt das sehr und sie kommen in Scharen, um mit dieser Veränderung zu beginnen, um ihr und sich selbst ein Zeichen zu setzen. Dann sind sie mit Johannes in den Jordan gestiegen, und er hat sie untergetaucht und getauft. Ein Neubeginn, der das Alte zurücklässt. Auch Jesus, der ja, wie wir wissen ein Cousin von Johannes war, ist diesem Aufruf zur Veränderung, zum Sinneswandel, gefolgt und hat sich von ihm taufen lassen.
Er ist, so empfanden es sicher viele, danach in die Fußstapfen des Johannes getreten. Aber bei aller Ähnlichkeit, Jesus hat seiner Predigt eine andere Richtung gegeben. Sie ist weniger Bußpredigt als vielmehr die Verkündigung einer frohen Botschaft. So wie es der Engel in der Weihnacht zu den Hirten sagt: „Siehe, ich verkündige euch große Freude!“ [Lk 2,10]
Nicht drohend, dunkle Szenarien an die Wand werfend, nicht einschüchternd ist Jesu Predigt, vielmehr befreiend, einladend, voller Zutrauen, beispielloser Liebe und Vollmacht. Sein Wort wirkt.
Und so antwortet er den Johannes-Jüngern: „Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: 5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; 6 und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“
In seinem Handeln findet die Frage danach, wer er ist, ihre Antwort. Er ist derjenige, der das Reich Gottes in Kraft setzt und die Befreiung der Menschen von ihrer Last und ihrer Bedrückung nicht nur ankündigt, sondern vollzieht.
Wirklich? fragen die Zweifelnden. Diese Hinweise genügen ihnen nicht und uns, wenn wir zweifeln, auch nicht. Man kann das Buch noch nicht schließen. Die Geschichte behält ein offenes Ende. Das lässt uns darauf warten, dass Gott am Ende alle Zweifel ausräumen wird und der Auferstandene Christus wieder zu uns kommt.
Zu denen, die diesem letzten Rest an Zweifeln mit ihrem tiefen Glauben, einem unerschütterlichen Vertrauen, begegnen, sagt Jesus: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ [11,6]
Die gefunden haben, was sie suchten, deren Erwartung in Erfüllung ging, empfinden größtes Glück. Das muss ein geschenktes Glück sein, keines, das eigenem Bemühen entspringt. Selig, wer in Jesus den erkennt, der Gottes Liebe lebt und uns schenkt. Selig, wer sich schon jetzt ganz auf ihn verlassen mag. Denn darin werden Erwartung und Erfüllung eins.
Und was ist davon geblieben? Überholen nicht die Zeitläufte immer wieder das Evangelium? Müssen wir nicht mit ärgsten Befürchtungen in die Zukunft gehen? Weil die Welt mit Krieg überzogen, weil das Leid der Menschen eher zu als abnehmen wird, weil wir Menschen die Erde zugrunde richten?
Macht es denn einen Unterschied, ob wir an Jesus glauben, ob es überhaupt Menschen gibt, die ihr Vertrauen nicht wegwerfen, die sich versammeln, zwei oder drei oder mehr in seinem Namen?
Die Antwort geben Sie, geben wir alle, wenn wir uns als Gemeinde versammeln, in Andachten, Gottesdiensten, Gruppen und Kreisen. Wenn wir auf die eine oder andere Weise für das Evangelium eintreten. Wenn wir gegen Hass und Menschenverachtung unsere Stimme erheben. Wenn wir uns in wohltätiger Weise für andere einsetzen.
Stellen wir uns nur mal vor, das alles gäbe es nicht, machte das keinen Unterschied? Nein, es macht einen Unterschied, dass wir an Jesus glauben und seine Botschaft in die Welt tragen. „Und wenn die Welt voll Teufel wär / und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, / es soll uns doch gelingen. / Der Fürst dieser Welt, / wie sau’r er sich stellt, / tut er uns doch nicht; / das macht, er ist gericht‘: Ein Wörtlein kann ihn fällen.“
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.