15- Sonntag nach Trinitatis
Text: 1. Mose 15,1–6
Thema: Mit Gott zu den Sternen schauen
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Von Abram ist zu reden. Wir kennen ihn für gewöhnlich als „Abraham“. Wie das kommt, das ist eine Geschichte für sich. Jetzt also Abram und die Erzählung von ihm im 15. Kapitel, 1. Mose. „Nach diesen Geschichten“ [1. Mos 15,1], beginnt unser Text. Welche Geschichten? Wissen Sie’s?

Der Erzähler denkt an Abrams Berufung und seinen Weg nach Kanaan. Er denkt an die Hungersnot, der Abram und Sarai aus dem Weg gehen, indem sie nach Ägypten flüchten. Da sind die Speicher voll. Und denkt daran, dass Abram seine Frau als seine Schwester ausgab. Er, Abram, der Ängstliche, dachte nämlich, man würde ihn im fremden Land aus dem Weg räumen, um an die schöne Frau an seiner Seite zu kommen. Der Schwindel fliegt auf. Aber der Großmut des Pharaos lässt den Fremden und seine Frau ziehen. Wenig später sehen wir Abram mutig und unerschrocken, wie er mit seinen Leuten denen nachjagt, die seinen Neffen Lot verschleppt haben. Den Erfolgreichen segnet Melchisedek, der König von Salem. Facetten einer Persönlichkeit. Ängstlich, mutig, erfolgreich. Die Erzählung macht aus ihm keinen Hochglanzhelden. Er ist ein Mensch. Einer wie Petrus vielleicht. Eignet sich so jemand als Vorbild? Als solches stellt Paulus ihn dar. Im Brief an die Römer beschreibt er Abram als Vater des Glaubens, ja als Glaubensvorbild. [Rm 4] Vielleicht kann man sich doch besser mit einer Person identifizieren, die Schwächen hat wie man selbst.

Aber jetzt heißt es: „Nach diesen Geschichten begab sich’s, dass zu Abram das Wort des Herrn kam in einer Erscheinung“ [ebd.]. Das nun hebt Abram aus den Vielen hervor. Gott kommt in einer Erscheinung. Eine Vision, vermutlich. „Fürchte dich nicht, Abram!“ [ebd.] hört Abram den Anderen sagen und wie zur Bekräftigung hinzufügen: „Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ [ebd.] Eine so ermutigende Zusage würde uns auch guttun.

Es gibt ja nun wirklich genug, was auf uns eindringt und uns mitunter bis in die Grundfesten erschüttert. Die Bilder von den Erdbeben erst in der Türkei und jetzt in Marokko. Die Feuerstürme in Südeuropa und Kanada oder die Sintfluten die mancherorts die sommerlichen Hochgefühle ersäuft und Existenzen zerstört haben, ja, die zuletzt in Libyen zig tausend Menschen das Leben gekostet haben. In die Augen der Überlebenden steht das Entsetzen geschrieben, aber auch Verzweiflung und Wut. So auch bei denen, die der Krieg trifft oder die blanke Willkür der Despoten. „Fürchte dich nicht [Abram]! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ [ebd.]

Aber es braucht nicht die großen Katastrophen, damit Zuspruch und Zuwendung bei uns willkommen sind. Manchmal reicht ein ganz normaler Tag, dass die Kräfte schwinden und uns die Zuversicht abhandenkommt. Sich dann gesagt sein lassen: „Fürchte dich nicht [Abram]! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ [ebd.] Es lohnt sich dieses Leben. Es ist nicht einfach vergebens. Du hast es von Gott. Von da her, wo alles Leben herkommt. Darauf kannst Du Dich verlassen: „Fürchte dich nicht“ [ebd.]

Und Abram. Man meint die Bewegung dazu zu sehen: Er wischt das alles beiseite. „Abram sprach aber: Herr, Herr, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen.“ [1. Kön 15,2] Was willst Du mir geben, was ich nicht schon habe. Ich bin reich geworden, angesehen und lebe in Sicherheit. Dankbarkeit sieht anders aus. Was willst Du mir noch geben? fragt er. Anders: Was kann ich von Dir noch erwarten?

Alles, was er bekommen hat und bekommt, verblasst angesichts der Tatsache, dass ihm dieses Eine, nein, dieser Eine fehlt. Der Nachkomme! Der Erbe! „Und Abram sprach: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer aus meinem Haus wird mein Erbe sein.“ [1. Mos 15,3]

Dass die ersehnten Kinder ausbleiben, bereitet auch Menschen unserer Zeit Kummer. Für die Menschen zu Abrams Zeit ist das eine geläufige Vorstellung: In meinen Nachkommen findet mein Leben seine Fortsetzung. Wie persönlich Abram die Sache nimmt, klingt in seiner anklagenden Rede durch: „Mir hast du keine Nachkommen gegeben“

Wie soll aber ohne Nachkommen mein Glaube weiterleben? Wenn ich keine Nachkommen habe, stirbt auch der Glaube mit mir. Stärker, jedenfalls ganz anders als für uns, ist der Glaube an die Gemeinschaft gebunden und ganz genau an die Lebensgemeinschaft, in der ich bin. Wenn wir diese Fragen auch deutlich individueller beantworten und dabei für uns selbst uns unsere Glaubensgeschichte verantwortlich sind – stirbt der Glaube in den Familien, hat er keine Zukunft.

Wie sehr diese Zukunft andererseits nun gerade nicht von unserem Wollen und Vollbringen abhängt, zeigt sich in dem zweiten Gesprächsgang. „Und siehe, der Herr sprach zu ihm: Er [Elieser von Damaskus] soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.“ [1. Mos 15,4]

Die alte Verheißung gilt noch. Ganz zu Beginn der Abrams- Erzählung hört Abram die verheißungsvollen Worte: „Ich will dich zum großen Volk machen“ [1. Mos 12,2] Aber je länger deren Erfüllung ausbleibt, desto schwerer fällt es, daran zu glauben und sich darauf zu verlassen. Wird er etwa hingehalten? Macht ihm da einer ein X für ein U? Offenbar steckt aber doch das „Thomas-Gen“ im Menschen. Der will sehen, was er glauben soll. Die Botschaft hört er, allein ihm fehlt der Glaube [frei nach Goethes Faust].

„Und er hieß ihn hinausgehen“ – eigentlich steht da, „er führte ihn heraus“ – und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!“ [1. Mos 15,5]

Welche Einfühlsamkeit, welche Intimität – Gott nimmt den Zweifelnden an der Hand, führt ihn vor das Zelt und zeigt ihm den nächtlichen Sternenhimmel. Beide schauen zum nächtlichen Himmel hinauf. „Das, was Du siehst, dieses Glitzern unzähliger Sterne, ist das beste Bild für Deine zahlreiche Nachkommenschaft.“

„Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“ [1. Mos 15,6]

Unter dem Sternenhimmel versteht Abram, was Gott meint, und das glaubt er. Darauf verlässt er sich. Das aber ist eine existenzielle Entscheidung. Wir alle werden uns hier und da an Abrams Stelle wiederfinden. Wenn wir beiseite wischen, was wir schon haben, weil uns etwas anderes, was uns wichtig ist, abgeht. Wenn wir an Gottes Heilsversprechen zweifeln, das er uns in der Taufe gegeben hat. Wenn wir ihn einen guten Mann sein lassen, unbeachtet und ungeliebt. Oder wenn wir trachten, Gott loszuwerden. Aber auch wenn wir mit ihm zum Himmel und zu den Sternen hinaufsehen.

Auch unsere Täuflinge heute, Karl und Rudolf, werden sich entscheiden müssen – vermutlich immer wieder, verlasse ich mich auf IHN?

Von Abrams Geschichte können wir lernen: Gott lässt den, den er liebhat, nicht einfach fallen. Er geht ihm nach und findet einen Weg, ihn zu erreichen und aufzuschließen. Auch dafür ist Abram seinen Leuten und uns ein gutes Beispiel.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.