2. Advent – 10.12.2023

2. Advent
Text: Offb. 3,7-13
Thema: Und, was machst Du?
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Philadelphia, das ist die Stadt der „Bruderliebe“, zumindest dem Namen nach. William Penn gründete die Stadt am Delaware-River im Jahr 1681. Penn war Mitglied der Quäker. Er wollte hier ein Zentrum der Quäker-Kolonie „Pennsylvania“ entstehen lassen. Philadelphia wurde später zu einem wichtigen der amerikanischen Geschichte. Hier wurde am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten beschlossen und verkündet, da fungierte die Stadt neben New York als Hauptstadt bis Fertigstellung von Washington D.C.. Der Name „Philadelphia“ sollte für ein Programm stehen. Einmal das der brüderlichen Liebe, bei den Quäkern hoch im Kurs, zum anderen der Bezug zum Philadelphia in der Offenbarung des Johannes. Hier finden wir im 3. Kapitel den Brief an die Gemeinde in Philadelphia. Der Brief wird in diesem Fall diktiert. In der Antike war das die allgemeine Praxis. Als Schreiber stellen wir uns Johannes vor. An ihn ergeht die folgende Anweisung: „Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe“ [Offb. 3,7]. Unter dem „Engel“ dürfen wir uns den „Angelos“, den Botschafter vorstellen, das ist im Zweifel derjenige, der der Gemeinde den Brief vorlesen wird. So viel zum Adressaten. Wer ist der Absender? „Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige. [Offb. 3,7] Er sei der, heißt es, „der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf“ [Offb. 3,7]

Es bleibt etwas Geheimnisvolles an diesem Heiligen, über den wir gewöhnt sind, viel vertrauter zu sprechen, als sei er einer von uns. Der Menschensohn, der heilt und tröstet, der Leben erweckt und den Tod hinter sich lässt. Seine Geschichte ist uns lieb und teuer. Johannes drückt das auf seine Weise aus, durch Titel, durch Begriffe, in denen der Erniedrigte uns als der Erhöhte begegnet.

Was schreibt er seiner Gemeinde? Und was ist das eigentlich für eine Gemeinde in Philadelphia? Nichts Besonderes offen-bar. Kein Modell von Gemeindeleben, mit dem sich nun Staat machen ließe. Die Gemeinde hat ihre Last mit den Vorgaben des römischen Kaisers Domitian. Der betrachtet sich selbst als Gottheit und verlangt von allen Bürgern seines Reiches, dass sie ihn als Gott verehren. Als Zeichen dafür verlangt der, so seine Titel, „anbetungswürdige Domitian, höchster Zeus und Heiland“, dass man das „Götzenopferfleisch“ aß. Die Anhänger Jesu – und eben auch die aus Philadelphia – machten das nicht mit. Christen müssen nicht über jedes Stöckchen des Zeitgeistes springen.

Das ist keine Kleinigkeit. Sie halten eine Grenze ein. Überschritten sie sie, würden sie sich selbst verraten und verlieren. Sie machen nicht alles mit, was die andern machen. Damit aber schwimmen sie gegen den Strom. Damit stehen sie abseits. Sie gehören nicht zum System und haben darum auch nicht teil an seinen Wohltaten. Vielleicht ist das unsere Zukunft. Vielleicht sind die Zeiten hierzulande vorbei, da die Kirche und die Gläubigen zu den Grundfesten des Gemeinwesens zählten und dieses sich das etwas kosten ließ.

Das bringt ihr das Lob dessen ein, der seinem Schreiber den Brief diktiert: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.“

Die Tür ist aufgeschlossen. Das heißt noch nicht, dass jemand hindurchgegangen ist. Aber sie bleibt offen. Das ist der Lohn für die Gemeinde mit der kleinen Kraft, die dennoch ihrem Herrn und seinem Wort treu geblieben ist. Da wo immer wieder die Erde bebt oder die Zeitumstände die Grundlagen des Zusammenlebens erschüttern, da steht diese Gemeinde fest, bewahrt das Wort, das Evangelium, und hält dem, dessen Namen sie trägt, die Treue.

Ihre Verlässlichkeit begründet das Vertrauen, das man in sie setzt. In die Schlagzeilen kommt sie damit nicht. Was sagt uns das als Gemeinde? Ist das eine Aufgabe, die wir wahrnehmen können und wollen? Und wie sieht das aus? Wie sieht das für uns aus? Das Wort bewahren. Für uns heißt das, Gottes Geschichte mit den Menschen weitererzählen und als Beteiligte weiterschreiben. Immerhin tragen wir ja als Getaufte „seinen Namen“, will sagen, wir verleugneten uns selbst, verleugneten wir ihn. Unser Problem dürfte weniger in der absichtsvollen Verleugnung liegen, als vielmehr in der Vergesslichkeit, der wir oft genug unseren Glauben, seine Inhalte und seine Tradition drangeben.

Es gibt viele Versuchungen anderes nach vorne zu stellen.

Im frühchristlichen Philadelphia sieht man das schon: „Siehe, ich werde einige schicken aus der Versammlung des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen.“ [Offb. 3,9] Fake news sind keine Erfindung unserer Zeit, die falschen Propheten der Bibel produzieren ihre Vorläufer. Was verbreiten sie? Es sind Irreführungen, weg vom Wesentlichen oder wie Johannes sagen würde, weg vom Wort und vom Namen unseres Herrn.

In unseren Tagen sind es häufig Konzepte zur Selbstheilung und Selbstrettung oder, dann ist es besonders marktkonform, zur Selbstoptimierung. Es ist kein Zufall, dass es bei all dem um einen selbst geht und um wenig mehr. Selbst ist der Mann. Wer wird da noch jubeln wollen „Christ, der Retter ist da!“ [EG 46,2]?

Stattdessen werden andere Geschichten erzählt, am liebsten natürlich Erfolgsgeschichten. Manche suchen überall in der Welt danach, suchen nach ihrem Glück und nach Sinn und Erfüllung, ohne zu wissen und deshalb, ohne zu bewahren, was ihnen schon gegeben ist. Da fasziniert das Neue oder die Verpackung, das Fremde oder Exotische. Aber, das kann uns das Beispiel Philadelphia sagen, das ist es nicht, was Anerkennung verdient.

„Siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ [Offb. 3,9] Selbst die fake news-Verbreiter müssen am Beispiel der Gemeinde von Philadelphia einsehen, dass sie selbst in die Irre gegangen sind und die Gemeinde auf dem rechten Weg unterwegs gewesen war. Sie müssen erkennen, sagt der Herr, „dass ich dich geliebt habe.“ [Offb. 3,9]

Es verdient Anerkennung zu wissen, zu wem man gehört, daran festzuhalten und es geduldig zu bewahren. Ein anderes Stichwort, das auf eine aktive Zugehörigkeit zielt, ist „Nachfolge“. Den Spuren Christi folgen. Es sind genug da in dieser Welt. Da brauchen wir nicht nach den „Leuchten des Glaubens“ Ausschau zu halten, um dann doch enttäuscht zu sein von deren jeweils vorhandenen menschlichen Schwächen. „Ich bin das Licht der Welt“ [Joh 8,12] – hat Jesus gesagt. Das müsste uns reichen. Das spricht nicht gegen Vorbilder und nicht dagegen, sich um vorbildliches Verhalten zu mühen. Im Gegenteil. Das ist eine Aufgabe für jeden von uns. In Philadelphia scheint man das erkannt zu haben. Und man versteckt sich nicht hinter der Aussage, die eigenen Kräfte seien zu gering. Mit dem, was man hat, kann man leben. Daraus kann man etwas machen.

Wir sind von Gott in die Nachfolge berufen. Das sagt uns unsere Taufe. Das ist das, was uns schon gegeben ist. Es ist wie der Schlüssel zum Reich Gottes. Hingehen, die Tür aufmachen und eintreten, das alles werden wir selbst tun müssen. Das ist schon jetzt unsere Aufgabe.

Das Christsein erlaubt uns keine Zuschauerrolle. Es setzt uns auch nicht auf den Richterstuhl, um über andere zu urteilen. Es fordert von uns Beteiligung – Beteiligung und sei es mit geringen Mitteln und kleinen Kräften. Kinder und Jugendliche lernen das – oder sie lernen es nicht. Sie brauchen dazu uns, dass wir ihnen Beteiligungsmöglichkeiten zeigen und eröffnen, dass wir sie auch in Anspruch nehmen, denn sie können ja etwas, und dass wir ihnen nicht alles abnehmen, dass wir ihnen vielmehr helfen, ihren Platz in der Gemeinschaft zu finden. Das fängt in der Familie an und hört dort nicht auf. Unser Engagement als Erwachsene, sei unser Beitrag nun groß oder eher gering, ist die Antwort darauf, dass wir von Gott Beschenkte sind. So leben wir dankbar und darum auch bereit von dem zu geben, was wir haben.

Viele unter uns geben Zeit, Ideen und Energie, um ihren Beitrag zum Gelingen der Gemeinschaft zu leisten. Dabei vollbringen sie Erstaunliches. Sehen wir das? Ist uns das klar? Erleben wir es dankbar?

Aber auch in den Debatten und Auseinandersetzungen unserer Zeit, wenn es um das Klima geht, die Schulden, den Antisemitismus, die Freiheit bedrängt durch totalitäre Konzepte, der Dienst für das Leben, soll unsere Stimme zu hören sein. Laut und klar. Dann dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, was der Gemeinde in Philadelphia bestätigt wird: „Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.“ [Offb. 3,10]

Philadelphia wird seinen Lohn bekommen. Die Anstrengung, der Mut, die Treue, das Durchhalten. Kann sein, dass das zwischendurch auch mal aus dem Blick gerät. Aber „Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes“ [Offb. 3,12].

Wer überwindet, wer treu ist, wer das Wort und den Namen bewahrt, auf den ist Verlass. Das gilt in Philadelphia und gilt bei uns. „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ [Offb. 3,13]

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.