Karfreitag
Text: Kol 1,13–20
Thema: Gott macht Frieden
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Das Kreuz steht in der Welt. Das eine, an dem Christus stirbt und die vielen tausend, an denen das Ende namenlos bleibt. In Europa gibt es Gegenden, da sprießen Kreuze aus dem Boden, als sei der Tod als Sämann über’s Land gegangen. Noch nicht lange ist es her, da dachten wir, diese Todesacker vor Augen, „nie wieder!“ Und jetzt wachsen sie wieder aus der Erde, die vom Blut der Gefallenen und Verletzten getränkt ist. „So ist die Welt“, sagen sie, „oder der Mensch“, wie manche meinen. Er treibt andere ins Elend und wird selbst dorthin getrieben. Der Mensch trägt das Kreuz in sich, er ist, manchmal bemerkt er’s, manchmal auch nicht, selbst ein Geselle des Todes. Und er lernt gut, wird immer besser im Töten, bringt es bis zur Meisterschaft.
Die Kriegsknechte, die unterm Kreuz Jesu stehen, verstehen sich auch auf ihr Handwerk. Und Befehl ist Befehl. Außerdem auf so einen, wie den, der da hängt, kommt es sowieso nicht an. Wer gekreuzigt wird, hat ohnehin nichts zu sagen. Er ist offensichtlich ein Verlierer, eine Null. Schwamm drüber.
Die Gemeinde in Kolossae kennt die Geschichte von Jesu Kreuzigung und auch die vom leeren Grab. Sie besteht größtenteils aus Menschen, die sich hatten taufen lassen, ohne zuvor zu einer jüdischen Gemeinde gehört zu haben. Als nun andere kommen, die mehr zu wissen vorgeben, von Engelswesen sprechen und von genau einzuhaltenden Speiseregeln, bricht in der Gemeinde Streit aus. Was gilt denn jetzt? Worauf kommt es denn an? Bald stehen sich Gruppen unversöhnlich gegenüber. Da kommt der Brief an die Kolosser zur rechten Zeit. Mit der Autorität des Apostels Paulus wird er hoffentlich den Konflikt befrieden können. Und in das Gezeter der Streithähne – aber auch in das Zischen der Kugeln und die Detonationen der Raketen und Granaten unserer Zeit, klingen die Worte des Briefes. Wie in einer Hymne auf den Gekreuzigten kann die Gemeinde darin den besingen, der für sie ans Kreuz gegangen ist. Gott hat durch Christus das Kreuz gewendet. Er hat aus dem Zeichen des Todes ein Zeichen des Lebens gemacht.
Ich lese die Verse 13-20 aus dem ersten Kapitel des Briefes:
13 Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, 14 in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden 15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung. 16 Denn in ihm wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. 17 Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. 18 Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei. 19 Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen 20 und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
Der Nichts ist unser Alles geworden. Der Kreuz Christi stellt alles auf den Kopf. Die Wichtigen werden als Wichte erkannt. Die Mächtigen als ohnmächtig. Und die Toten werden auferstehen. Ja, errettet aus der Macht der Finsternis, stehen wir nicht mehr in der Sünde Sold. Das ist bekanntlich der Tod [Röm 5,12]. Durch Jesu Tod am Kreuz haben wir die Erlösung [Kol 1, 14]. Wovon? Von was löst er uns aus?
Er erlöst uns vom Ungenügen. Das Ungenügen treibt uns an, mehr haben zu wollen. Mehr als der andere. Mehr als uns guttut. Mehr als uns zusteht. Er erlöst uns von der Leere, die zwischen uns und Gott getreten war. Vergessen. Funkstille. Kontaktabbruch. Nichts. Er erlöst uns von dem Anspruch, ja dem Zwang, selbst für unser Heil zu sorgen. Denn er sorgt für uns. Damit mag uns die Angst vor dem Scheitern verlassen, davor, verloren zu sein und wie Ertrinkende um uns schlagen zu müssen.
Ganz gleich, was andere von uns halten, ganz gleich, wie sie uns bewerten, ganz gleich, ob sie einen Pfifferling auf uns geben oder nicht – Gott hat uns „versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes“ [Kol 1,13]. Damit kein Zweifel aufkommt, was das bedeutet, lesen wir mit den Kolossern, wer das ist: „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung“. [Kol1,15] Ewig wie er. Mächtig wie er. Aufgepasst, ihr Herren der Welt! „Es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.“ [Kol 1,16]
Auch der Kaiser in Rom? Auch sein Statthalter? Ja, und die Mächtigen aller Zeiten! Alle sind Kreaturen. Alle sind von endlicher Natur. Auch die, vor denen wir uns fürchten – wie sie auch alle heißen mögen.
Was immer andere euch erzählen von Engelswesen oder Kirchenverwaltungen, Zahlen und Zwängen: „Er (Christus) ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.“ [Kol 1,18] Ihm sind wir verpflichtet. Er ist unser Herr. Oder wie es die 1. These der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 sagt: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“
Es ist dem Land nicht gut bekommen und unserer Kirche auch nicht, als sie diesen Grundsatz in den Wind geschlagen und auf einen anderen gehört, ihm vertraut und gehorcht hat.
Wozu das auch? Wozu andere Quellen suchen, wo es Gott gefallen hat, „alle Fülle in ihm wohnen zu lassen“ [Kol 1,19]? Die Kolosser brauchen die Neunmalklugen nicht, die ihnen mehr und anderes weisen wollen als das Evangelium, das uns alle wissen lässt, dass Gott es unternommen hat, „durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel.“ [Kol1,20] Dafür steht das Kreuz des Einen ein für alle Mal. Jedes weitere Kreuz, das aus Willkür, Gewalttat und Anmaßung aus der Erde wächst, verhöhnt den Höchsten. Denn der gibt das Teuerste hin, „durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, […] indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.“ [Kol 1,20]
Gott macht Frieden. Dafür steht das Kreuz, wie wir es hier im Altarraum sehen, wie wir es als Zeichen in seinem Namen verwenden. Wo wir in seinem Namen gehen, wo wir seinem Willen folgen, wo so „das Reich seines geliebten Sohnes“ [Kol 1,13] aufscheint, da liegt sein Segen auf uns, der uns bestärkt und beauftragt: „Gehet hin in Frieden!“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.