1. Sonntag nach Epiphanias
Text: 1. Kor 1,26–31
Thema: Bin ich richtig?
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Den Predigttext an diesem 1. Sonntag nach Epiphanias lesen wir im 1. Brief an die Korinther, Kapitel 1, in den Versen 26-31:
26 Seht doch, Brüder und Schwestern, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme sind berufen. 27 Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; 28 und was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt, was nichts ist, damit er zunichtemache, was etwas ist, 29 auf dass sich kein Mensch vor Gott rühme. 30 Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, 31auf dass gilt, wie geschrieben steht (Jer 9,22-23): »Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!«
Paulus sitzt da und überlegt, wie er die Gemeinde in Korinth ansprechen kann. Wie kann ich sie erreichen? Wie kann ich ihnen per Post geben, was ich ihnen am liebsten sagen oder auch vorleben würde. Damit keine Unklarheit herrschen soll, stellt er sich erst einmal vor: „Paulus, berufen zum Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes…“ [1. Kor 1,1] Das ist sein Anspruch. Apostel zu sein, berufen durch den Willen Gottes. Nicht jedem sagt der griechische Begriff „Apostel“ etwas. So bezeichnet man einen Gesandten oder Sendboten. Als solcher versteht Paulus sich, nicht von Menschen ausgewählt, sondern von Gott berufen. Danach schaut er auf die Gemeinde, an die er seinen Brief schreibt. Korinth, die pulsierende Hafenstadt, an der schmalen Landverbindung zwischen dem griechischen Festland und der Halbinsel Peloponnes. Er sieht in ihren Reihen viele Gaben, Charismen, versammelt. Er sieht aber auch, dass sich die Gemeinde in Gruppierungen zerlegt hat. Sie stehen gegeneinander und sehen sich als Anhänger verschiedener Leitfiguren. Er selbst, Paulus, gehört dazu. Aber auch Apollos und Kephas (unser Petrus) – und Christus. An ihm entscheidet sich alles. Was klug ist und was töricht ist aber auch was stark ist oder schwach. Er sagt: „Die göttliche Schwachheit [am Kreuz] ist stärker als die Menschen sind.“ [ 1. Kor 1,25]
Fazit: Mein Anliegen ist es, Christus in den Mittelpunkt zu stellen. Dann setzt unser Predigttext ein. Fast beschwörend. „Seht doch, Brüder und Schwestern, auf eure Berufung.“ [1. Kor 1,26] Was soll das sein? Zeichnet eine solche Berufung nicht nur Auserwählte aus? Solche wie Paulus? Den Korinthern fielen noch andere ein. Leitfiguren, in deren Gefolge man sich sicher fühlt. Anführer sozusagen.
Alle Christen in Korinth haben sich auf ein Wagnis eingelassen. Mit dem Schlafwagen kommen sie nicht durch ihr Christenleben. Immerhin macht sie das oft genug zu Außenseitern. Dann sagen die einen, „ihr seid Abtrünnige“, „ihr habt die Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde verwirkt“. Die anderen können mit solchen Leuten, die nicht zu den Juden gehören sollen, sich aber auch allen anderen religiösen Bewegungen der Zeit verweigern, nichts anfangen. „Sitzen wir jetzt zwischen allen Stühlen?“ mögen sie sich in der Gemeinde gefragt haben. Oder anders gesagt: „Sind wir richtig?“
Eine Verunsicherung ist zu spüren. Wir kennen die auch. Wenn alle anderen abbiegen, und wir geradeaus fahren. (nicht nur im Straßenverkehr). Wenn manche es für schlau halten, die Gesellschaft als Selbstbedienungsladen zu verstehen, und wir zu denen gehören, die den Laden am Laufen halten. Wenn die Hippen, das sind die, die sich aus welchen Gründen auch immer, für die Speerspitze der Gesellschaft halten, wenn die die Gläubigen als Ewiggestrige abtun und mit deren Überzeugungen ihren Spott treiben.
Bin ich richtig? Vielleicht können wir uns auch noch an unsere Jugendzeit erinnern. Da war das eine zentrale Frage: Bin ich richtig? Ausgiebiges Studium vor dem Spiegel, Selbstoptimierungsversuche mit Schminkkasten oder Sportgerät, konnten nicht unbedingt befriedigen. Erst recht nicht, wenn wir selbst den Eindruck hatten, es fehle uns an Anerkennung und Bestätigung. Schwäche zeigen kam nicht in Frage. Da war man gleich auf der Verliererstraße und wurde nach unten durchgereicht. Schon ein prominent platzierter Pickel konnte uns aus dem Gleichgewicht bringen. „Bin ich richtig?“ „So nicht!“ Wir hatten unsere Idole und fanden uns in Gruppen Gleichgesinnter, die dieselbe Musik mit einer übereinstimmenden Einstellung zum Leben teilten. Da gehörte man dazu oder war raus. Mein Eindruck ist, das ist eine Erfahrung, die Jugendliche auch heute machen, mögen sich auch die Zutaten verändert haben.
„Bin ich richtig?“ „Gefalle ich den anderen?“ Paulus antwortet: „Seht doch, Brüder und Schwestern, auf eure Berufung.“ [1. Kor 1,26] Ja, wie, sind denn alle in der Gemeinde berufen? Wann soll das geschehen sein? Und was hat das zu bedeuten? Wann? Das lässt mich danach fragen, was wir alle gemeinsam haben. In er Gemeinde sind wir als Getaufte. Mag sonst Unterschiede zuhauf geben, das verbindet uns. Durch die Taufe sind wir Teil der Gemeinschaft der Gläubigen, so wie wir es im Apostolischen Glaubensbekenntnis sagen. Worin besteht die Berufung durch die Taufe? Gott hat uns angesprochen, es ist an uns zu antworten. Er hat uns durch die Taufe in seine „Familie“ aufgenommen, dem gilt es nun gerecht zu werden.
„Kann ich nicht“, könnte man meinen, „dazu bin ich zu schwach.“ „Weder verstehe ich alles, worum es da wohl geht, noch habe ich mich so im Griff, dass ich diesen Kurs getreulich halten könnte.“ „Ich bin kein guter Christ.“ Solange das keine faule Ausrede ist, um jeglicher Anstrengung aus dem Weg zu gehen, sondern ein Bekenntnis eigenen Ungenügens, tröstet Paulus mit dem Hinweis: „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt“ [1. Kor 1,27]
Das sagt er aber auch jenen, die sich in allen Belangen überlegen fühlen könnten. Er nennt „Weise nach dem Fleisch“ [1. Kor 1,26] , das sind die, die nur eigener Erkenntnis trauen und die für das Wahre halten . Und er nennt „Mächtige“ und „Vornehme“ [ebd.].
„Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt“ [1. Kor 1,27] Gott mischt die Karten neu und in jedem Fall so, dass sich das Ergebnis unserer Berechnung entzieht. Das ist nebenbei bemerkt, ein Gedanke, der der Reformation zugrunde liegt. Sie widerspricht der Vorstellung, wir selbst könnten uns durch eigenes Zutun vor Gott groß machen.
Gott ist unbestechlich, „auf dass sich kein Mensch vor Gott rühme“ [1. Kor 1,29]. An die Römer wird Paulus im Blick auf die Menschen schreiben: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten.“ [Rm 3,23] Das gilt übrigens auch für die Zuschreibungen, die wir untereinander vornehmen, wenn wir loben und rühmen. Auf dem Teppich bleiben, heißt die Devise, „auf dass sich kein Mensch vor Gott rühme“ [1. Kor 1,29].
Das heißt nicht, dass wir nicht dankbar und froh darauf sehen, wie Menschen in der Gemeinde aber auch in der Welt ihre Gaben zum Wohle aller einsetzen. Dabei gibt es auch solche Momente, in denen jemand in weitgehender Übereinstimmung mit Christus ist, ja, gleichsam in ihm aufgeht. Indem man sich im Glauben hingibt, sein ganzes Vertrauen auf Christus setzt, das Beharren auf das Eigene hintansetzt und sich drangibt. Keiner Berechnung folgend, nicht auf Anerkennung oder Ruhm aus seiend, sondern „in Christus“.
In immer neuen Anläufen greift Paulus diese Wendung auf: „in Christus“. Im 2. Brief an die Korinther schreibt er: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur.“ [5,17] Darum geht es. Dass der Mensch in Christus neu wird. Nicht wie der alte Adam, sondern wir Christus. Das aber ist nichts, was wir machen könnten. Das bewirkt Gott durch das Kreuz, das sein Sohn für uns trägt. Ihm nachzufolgen sind wir berufen, wir alle, die wir getauft sind auf seinen Namen. Drum: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.“ [1. Kor 1,31]
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.