3. Sonntag nach Trinitatis

Text: Offb 21,5
Thema: Siehe, ich mache alles neu
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Im Winterhalbjahr wird das Gas knapp, heißt es, das Gemüse noch teurer, die Pandemie-Problematik wieder vordringlicher. Aussichten sind das! Und wer weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch Menschenleben frisst? Noch scheint die Sonne hell und lässt in ihrem Glänzen auch die Tristesse erträglich erscheinen. Aber wie wird das werden, wenn all die düsteren Prognosen wahr werden? Die Frage stellt sich genauso im Blick auf die Entwicklung der kirchlichen Landschaft. Wie viele werden hier in zehn Jahren sonntags zusammenkommen? Werden dann noch die Glocken zum Gottesdienst rufen? Wann wird der merkliche Abwärtstrend ein Ende haben? Und was wird gegen den Relevanzverlust aufzubieten sein?

„Ihr müsst…“, sagen solche, die es zu wissen meinen. „Ihr hättet“, fügen andere hinzu. „Ihr dürftet nicht“, wird ergänzt.und „das geht ja gar nicht!“ Irgendwo haben alle diese Äußerungen mindestens ein Fünkchen Wahrheit in sich. Aber mit der Anerkennung dessen ist es nicht getan. Es gibt harte Fakten. Weniger Mitglieder werden weniger Ressourcen aufbieten können – angefangen vom persönlichen Engagement bis hin zum Kirchensteueraufkommen. Was persönliches Engagement vermag, das hat uns der gestrige Tag mit seinen unterschiedlichen Beiträgen vor Augen geführt. Herauskam ein fröhliches Fest, dem Geist und Herz innewohnten. Wir sind glücklich darüber und dankbar dafür. Das ist eine wichtige Erfahrung für uns alle, die uns Mut macht, das Kommende zu bestehen. Wir können was! So viele Ideen und kluge Überlegungen, so viel Zupacken und Beherztheit (da haben wir’s wieder das Herz!), so eine Hingabe und so viel Freude, darin die frohe Botschaft leuchtet: „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5] So lese ich das bei Johannes in der Offenbarung.

Welch Perspektive eröffnet das: „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5] Da kann das fossile Zeitalter an sein Ende kommen, da muss man den Gürtel enger schnallen und da kann menschliche Überhebung viel – und wirklich viel zu viel Zerstörung und Leid anrichten, ja, da kann der Sommer der Unbeschwertheit sich verabschieden und am Ende in den dunklen Winter münden und dann gilt doch und mit aller Entschiedenheit: „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5] Und „alles“ meint alles und nicht nur kleinere kosmetische Korrekturen. Alles ist mehr, als wir sind und denken können.

Als Johannes auf Patmos sitzt, verbringt er dort nicht seinen Sommerurlaub, es ist kein freiwilliger und schon gar kein selbstbestimmter Ausstieg aus dem bisherigen Alltag. Man hat ihn aus dem Verkehr gezogen, ihn auf die Insel verbannt. Inseln eignen sich offenbar großartig zur Verbannung, wie wir aus der Geschichte wissen. Da sitzt er nun aller seiner Verbindungen und Kontakte beraubt. Wo ein anderer Verbannter auf der Insel an Strategien und Plänen arbeitet, wie er das Blatt wenden könnte – Napoleon, da sitzt Johannes und sieht.

Na ja gut, sehen, das ist für alle, deren Augen funktionieren, nichts Besonderes. Aber Johannes sieht anders. Er hat Visionen. „Um Himmels willen, so schlecht ist es um ihn bestellt!“ Realitätsflucht, psychische Probleme, Spinnerei – oder doch nicht. Johannes sieht Gott auf die geschundene Welt zukommen – endlich! So lange wartet die schon darauf, dass geschieht, was ein für allemal dem Elend ein Ende machen wird. Dafür steht dieser eine Satz: „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5]

Nicht nur Johannes weiß Gott in diesen Worten sprechen. Wir können sie nachbuchstabieren aber doch nicht wirkmächtig nachsprechen. Wir machen nicht alles neu. Wir können es nicht und vielleicht müssen wir es auch nicht.

Aber die Vision des Johannes zeigt mit großer Eindringlichkeit diese Möglichkeit auf: Gott macht alles neu. Das ist, so würde man im Schwäbischen vielleicht sagen, „nicht unser G’schäft“. Und trotzdem erschließt dieser Satz die Möglichkeit, alles, bzw. das, was wir dafür halten, neu zu denken. Es muss nicht so bleiben, wie es ist und war, es kann und darf anders werden – neu.

Gleichzeitig wird im Lichte dieses Satzes „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5] klar, dass „neu“ nicht einfach „anders“ meint. Das kann uns zur Richtschnur werden auf dem Weg in die Zukunft. Es ist nicht allein unser Wollen, unsere Zielsetzung, unser Planen und Machen, was die Zukunft gewinnt. Es gilt nach wie vor: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“ [Ps 127,1] Ohne ihn wird’s nichts. Das muss uns klar sein. Das müssen wir so weit verinnerlichen, dass zu unserem Herangehen an all das, was vor uns liegt, die Frage nach seinem Willen gehört. Und die immer neue Vergewisserung, dass wir IHM treu geblieben sind. Dazu kommt die Zuversicht, dass es gut wird. Auch die Krisen werden wir überstehen. Die düsteren Prognosen müssen uns nicht, nein, dürfen uns nicht schrecken. Und wir brauchen nicht in die Fallen der Selbstüberschätzung zu tappen. Wir sind es nicht, die sagen und bewirken können, was Gott sagt und bewirkt: „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5]

Aber wir wissen, er wird’s wohlmachen. Drum befehlen wir ihm unsere Wege. Drum vertrauen wir uns ihm an im Leben und im Sterben. Ja, wir wissen ihn an unserer Seite, wie die Emmausjünger, die wir gestern im Film sahen. Wie sie mit IHM unterwegs waren, und IHN doch erst erkannten, als ER von ihnen gegangen war. Wie Schuppen fiel’s ihnen von den Augen. Glücklich und bestärkt liefen sie, den anderen die gute Nachricht zu überbringen. Und weg war alle Niedergeschlagenheit, weg war die Angst vor der Zukunft und Sorge um das eigene Leben. Sie waren wie ausgewechselt, erfüllt, oder soll ich sagen, begeistert von der Kraft Gottes, der sagt: „Siehe, ich mache alles neu!“ [Offb. 21,5]

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.