4. Sonntag nach Trinitatis
Text: 1. Petr 3,8–17
Thema: Und wer ist’s, der euch schaden könnte?
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

„Rasen nicht betreten.“ „Nicht von der Seite springen.“ „Nicht rechts überholen.“ „Hinten anstellen.“ Solche und noch viel mehr Anweisungen begegnen uns im Alltag. Meist halten wir uns daran – oft sogar, wenn wir von der Sinnhaftigkeit nicht überzeugt sind. Es fällt uns leichter, wenn die Anweisungen, aus Lebenserfahrung gewonnen, durch Lebensklugheit überzeugen. „Vergebt, so wird euch vergeben!“ [Lk 6,37] oder „Gebt, so wird euch gegeben.“ [Lk 6,38] Wunderbar wenn die Rechnung in der Entsprechung aufgeht: „Wie du mir, so ich dir“ – oder eben umgekehrt: „Wie ich dir, so du mir“. Jedes Kind weiß, dem ist nicht immer so. Am Ende steht womöglich das ganz und gar nicht märchenhafte Fazit „Undank ist der Welt Lohn“ [gleichnamiges Märchen von Ludwig Bechstein].

Aber das, was wir heute im Evangelium gehört haben, geht darüber hinaus. Und die Zeilen aus dem 1. Petrusbrief im 3. Kapitel lehren uns „Mores“ – Sitten, wie man sie sich für die christliche Gemeinde im 1. Jh nChr. wünschte. Ich lese die Verse 8-17:

1. Petr. 3,8 Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. 9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt. 10 Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. 11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. 12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun« (Ps 34,13-17). 13 Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? 14 Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; 15 heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, 16 und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. 17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

Es sind drei Motive, die in diesem Abschnitt miteinander verwoben werden. Das eine versucht eine Antwort auf die Frage zu geben „Was macht euch als Christen erkennbar und überzeugend?“ Das zweite Motiv reflektiert die Frage „Wie verhält sich Gott?“ Schließlich, und das durchzieht die Erwägungen, „Was heißt das angesichts der Widrigkeiten und Anfeindungen, denen ihr euch ausgesetzt seht?“

Was würden Sie sagen, macht Christen erkennbar und überzeugend? Dass sie ein Kettchen tragen mit einem kleinen Kreuz aus Gold oder Silber ja wohl kaum. Was ist das, was Christen erkennbar und überzeugend sein lässt?

Vielleicht, dass sie es darauf anlegen, dem immer ähnlicher zu werden, dessen Namen sie als Getaufte angenommen haben – Christus. Vielleicht, dass sie sich aus einer tiefen, manchmal auch angefochtenen Überzeugung heraus dem Leben stellen. Die Überzeugung, dass schon alles getan ist für ihr Heil. Dass durch das Kreuz Christi alles Elend, alles Leid und alle Not uns zum Besten dient.

„Hörst Du, was Du sagst?“ „Du bist nicht Paulus!“ „Petrus auch nicht.“ „Du bist allenfalls ein später Nachgänger.“ „Schalte mal einen Gang zurück!“

Die Christen, die im 1. und 2. Jh. nChr., all diese Ermahnungen hören, sehen sich oft verspottet, ausgegrenzt, verfolgt und bis zum Letzten bedroht. Ihr Glaube ist nicht nur ein inneres Wagnis, offen bekundet, kann er einen teuer zu stehen kommen. Wäre es da nicht klüger, sich unkenntlich zu machen? Bloß nicht erkennbar! Nichts sagen, wenn andere den Glauben der Christen in den Dreck ziehen. Aber eigentlich zielen die Aufforderungen vor allem auf den Umgang miteinander. „Seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.“ [1. Petr 3,8] Wenn euch das untereinander nicht gelingt, wenn wollt ihr dann überzeugen und gewinnen? Ihr habt einen Auftrag, jeder einzelne von euch, dass ihr den Segen, den ihr empfangen habt, weitergebt. Das wird auf euch zurückkommen.

Und wenn wir verstummen und den Segen nicht zu Wort kommen lassen? Wenn wir handeln und leben, als gäbe es den Segen nicht, als wären wir selbst leer ausgegangen, woher soll dann Fülle kommen? Das Gute und der Friede! Es braucht die Entsprechung von Gottes Wille und Wort und uns und unserem Leben. Als andauernden Versuch und als glücklichen Moment innerer Übereinstimmung.

Hier weitet sich der Blick und geht über die eigene Befindlichkeit hinaus. Wir sind beim zweiten Motiv und der Frage „Wie verhält sich Gott?“

„Die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun« (Ps 34,13-17) [1. Petr 3,12]

Es gibt eine enge Verbindung zwischen Gott und denen, die ihn achten und ehren. Sie genießen sein Ansehen und dürfen wissen, dass er auf ihr Beten hört. Es wird vorkommen, dass das Gebet und die mit ihm verbundene Hoffnung nicht in Erfüllung geht. Zumindest jetzt nicht. Aber, so mögen wir die Worte hier im Brief verstehen, damit ist das Gebet nicht verlorengegangen, wie ein nicht zugestellter Brief oder eine Mail im Spamordner. Nein, es kommt an Gottes Ohr und wird aufgenommen und er wird’s wohlmachen [Ps 37,5].

Wer aber Böses tut, wer sich mit seinen Entscheidungen und Handlungen gegen Gott wendet, der tut’s im – frech – ins Angesicht. Es ist jedes Mal gleichsam ein Schlag ins Gesicht des Höchsten. Wir sehen Jesus bei den Kriegsknechten, wie sie ihn verspotten und schlagen und sich dabei überlegen wähnen, während sie doch in diesem Einen sich selbst malträtieren, dem Elend und Leid der Welt, ihrer Welt, zum Werkzeug werden.

Das gehört zur Lebenswirklichkeit der ersten Leser des Briefes. Und sie müssen sich damit auseinandersetzen und fragen, wie sie damit umgehen wollen. Damit sind wir beim dritten Motiv. Es sind starke Antworten. „Wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig.“ [1. Petr 3,14] Wie das? Gott selbst leidet an dieser Welt und er leidet, in Jesus, in dieser oder auch mit dieser Welt. Gerade und ausgerechnet im Leiden seid ihr mit Gott verbunden und ihm nah. Komme, was da wolle. Drum „Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; [ebd.] heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen [1. Petr 3,15] Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Der Mensch wird aufgefordert, das Leiden Gottes an der gottlosen Welt mitzuleiden.“ [Widerstand und Ergebung] Das ist Aufgabe der Christen! Mehr noch als Wohlverhalten und Regelkonformität. So entsteht eine innere, eine Herzensverbindung mit dem menschgewordenen Gott. Aller Anfechtung wird sie standhalten. Die Hoffnung, dass Gott unsere Rettung ist, er, der dem Leid ein Ende macht und den Tod besiegt, tragen wir unbeirrt in die Welt.

„Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?“ [1. Petr 3,13]

Nach allem Gesagten können nur wir selbst das sein. Indem wir die Hoffnung fahren lassen. Indem wir ausweichen, wo wir gefordert sind, „das Leiden Gottes an der gottlosen Welt mitzuleiden“ [s.o.]. Indem wir Christus, der dafür steht, nicht an uns heranlassen und ihn zutiefst in uns aufnehmen. Ja, wenn wir unseren Glauben verlieren und der Verlust uns kaltlässt, sind wir der Welt und der in ihr wohnenden Bosheit ausgeliefert.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.