Ostermontag
Text: 1. Kor 15,50–58
Thema: Der Friede Gottes
Ev. Emmausgemeinde Eppstein
Pfarrer Moritz Mittag

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Was feiern wir eigentlich an Ostern? Nicht nur die Kleinen werden sagen: „Dass der Osterhase kommt!“ Gesehen habe ich den übrigens bislang auch noch nicht, was die allgemeine Zuversicht an dieser Stelle nicht trübt. Allenthalben blinken bunte Ostereier im Frühlingslüftchen – vornehmlich aus Kunststoff, die sind unempfindlicher. Frühlingslüftchen ist auch gut. Hase und Eier harmlos genug, erst recht, wenn sie als schmelzende Süßigkeiten zu uns kommen, um im allgemeinen Hang zur Traumwelt ihren Platz einzunehmen. Kein Wunder, dass Ostern wie Weihnachten zum Deko-Fest geworden ist. Die Außenansichten ersetzen leicht den inneren Kern. An dem hätte man womöglich zu beißen, vorausgesetzt man wüsste um ihn.

Der Ausgangspunkt ist ein leeres Grab. Da weht der Hauch des Todes, von wegen Frühlingslüftchen! Ein leeres Grab. Nur einmal angenommen, wir stießen beim ersten Besuch des Friedhofs nach der Beisetzung auf eben dieses, wir verstünden sofort das Entsetzen der Frauen, nein wir verstünden es nicht nur, es würde uns ergreifen!

Paulus notiert ohne Emotionen im 1. Brief an die Korinther: „Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auf-erstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen“ [1. Kor 15,3-5].

Auf einer Skala der Stimmung stünde das im unteren Bereich, nehme ich an. „gestorben“ – wer will daran schon denken? – „für unsere Sünden“ – bitte? Was? – „begraben“ – jetzt reicht‘s aber! Da hilft auch das „Auferstanden“ nicht wirklich weiter. Das ist den meisten Osterhasen-Gläubigen zu unglaublich.

Aber genau das, das leere Grab und die Begegnungen mit dem Auferstandenen, sind der Ausgangspunkt des Osterfestes. Damit verbunden sind Fragen von existentieller Bedeutung. Ich behaupte es sind Fragen, die uns alle angehen. Was von meinem Leben kann angesichts der Unausweichlichkeit meines Todes bestehen? Was muss ich bereuen? Was wiedergutmachen? Was wird mich am Ende tragen, wenn ich hinfort muss? Worauf oder auf wen will ich mich dann verlassen? Der Osterhase wird’s nicht sein, nehme ich an.

Muss man sich solche Fragen stellen? Man kann ihnen aus dem Weg gehen, sie vielleicht auch unterdrücken, aber man wird ihnen auf lange Sicht nicht entgehen können. Paulus setzt sich damit auseinander. Er tut das im Lichte des Ostermorgens und der Osterereignisse. Sie sind von entscheidender Bedeutung. „Wenn die Toten nicht auferstehen, dann ‚lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!‘ (Jes 22,13)“ [1. Kor 15,32] Eine Art Titanic-Erfahrung, wie sie uns selbst vielleicht gar nicht so fremd ist. Am Untergang ändert das nichts.

Von Ostern aus wagt Paulus die Auseinandersetzung mit dem Tod. Was geschieht mit uns auf dem Weg in den Tod und durch ihn hindurch? Er sagt: „Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich“ [1. Kor 15,42]. In diesem Bild sind wir selbst das Samenkorn, das einst in den Tod gesät wird, um darin umzukommen. Das Korn kann nicht bleiben, was es war. Es vergeht. Nein, besser, und so sagt es ja auch Paulus, es wird verwandelt. Kein simples Weiter so, kein Kontinuum, auch kein e Auflösung ins Nichts sondern Verwandlung, sagt Paulus. Und das geschieht im Tod. Nicht jetzt. Das ist der Dienst, den der Tod uns noch zu leisten vermag. Ja, der Tod dient. Er ist nicht mehr Herr der Lage, ist nicht mehr Bestimmer.

Streckenweise fast hymnisch klingt darum auch des Apo-

stels Resümee im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes:

1. Kor 15,50 Das sage ich aber, liebe Brüder und Schwestern, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. 51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. 54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jes 25,8; Hos 13,14): »Der Tod ist verschlungen in den Sieg. 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« 56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 58 Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, denn ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

Was da alles geschieht: Verändert werden, Auferweckt werden, Erschallen der Posaune, Umkleidet werden. Es sind überwiegend Verben im Passiv. Im Tod sind nicht wir die Handelnden. Wer dann? Nur andeutend, fast geheimnisvoll verhüllt, spricht Paulus von dem, was Gott macht und geschehen lässt: „Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit“ [1. Kor 15,53].

Da stehen wir mal nicht vor unserem wohlsortierten Kleider-schrank mit der üblichen, ratlos wirkenden Frage: „Was soll ich bloß anziehen?“ Die ist jetzt beantwortet: Die Unverwes-lichkeit, die Unsterblichkeit soll ich anziehen. Das aber ist keine Frage des „Outfits“, sondern Ausdruck tiefster Über-einstimmung mit dem Ewigen. Er kleidet mich, stattet mich aus mit dem, was ihm allein eigen ist. Schon das weiße Taufkleid soll uns genau daran erinnern, wo wir hingehören bzw. zu wem wir tatsächlich gehören – zum Ewigen. 

Jetzt hat der Tod nichts mehr zu gewinnen. Jetzt werden wir nicht mehr seine Opfer sein. Und Paulus jubelt: „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ [1. Kor 15,54f.]

Jetzt ist Friede. Friede, wie Gott ihn schenkt. Wir selbst können ihn nicht machen. Jetzt ist die große Friedensbot-schaft Gottes, die in Jesus Gestalt angenommen hat, ver-wirklicht. Dabei, und das erzählt die Karfreitagsgeschichte, gab und gibt es eine große Feindschaft der Menschen ge-gen diesen Frieden Gottes.

Deshalb ist der Tod nicht nur unser Schicksal. Er ist auch unsere Schuld. Wir meinen, unseren eigenen Frieden erfin-den und sichern zu müssen – und fangen an, einander zu töten. Der ganze Irrsinn kommt auf Golgatha zutage, dass wir im Namen des selbsterfundenen Friedens den töten, der ihn infragestellt. Nur nicht die alten Kreise stören! Bloß ja alles so lassen, wie es ist und immer schon war! Dann lieber den Frieden Gottes töten: Es ist besser, ein Mensch stirbt, als dass ein ganzes Volk verdirbt, sagt der Friedensdiplomat Kaiphas.

Heute spricht man vom „Einfrieren“ und macht nicht viel federlesen um die, die dieser Kälte, diesem Frost preisgegeben werden oder in ihm zugrunde gehen müssen.

Was bleibt dann? Es ist die Flucht vor dem Tod. Die Flucht vor dem Tod begehen die Jünger, die selbst ihren geliebten Herrn im Stich lassen (von Johannes einmal abgesehen). Die Flucht in den Tod wählt Judas. Der ganze Kirchhofsfrieden, den wir Menschen verbreiten, kommt in Golgatha ans Licht. Seine Bewahrer scheuen vor keiner Gewalt zurück.

Die Botschaft Jesu von der Macht der Liebe Gottes treten sie mit Füßen. An ihm statuieren sie ein Exempel. Er muss sterben.

Die Botschaft von Ostern aber sagt: Der Friede Gottes ist nicht totzukriegen. Er geht lebendig, in einem neuen, unzer-störbaren Leben aus dem Grab hervor, in das wir ihn ver-senkt haben. Er wird am Ende der Geschichte – unserer eigenen und persönlichen, aber auch der der ganzen Welt – Sieger bleiben und uns und die Welt erlösen.

„Der Tod ist verschlungen vom Sieg“ [1. Kor 15,54].

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.